Sula Bassana – Organ Accumulator + Disappear 2017

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Der Reglerkünstler Sula Bassana, tastet und bespielt erneut prächtige Notengemälde neben minimalistischen Klangkulissen, die Leben in die akustische Bude bringen. Überhaupt sind ihm dazu etliche spannungsbebildernde Elemente eingefallen. Das er mit „Organ Accumulator“ eher auf elektronische Tour geht um neue Formen und Klänge zu ergründen, die etwas chilliger ausfallen, macht das gesamte Album nicht weniger reizvoll.

Aus seinem reichhaltigen Arsenal an Instrumenten, wählte er diesmal Portable Keyboards, kleine Orgeln, Synthesizer und Drum-Boxen aus. Der Titel „Lichtbündel“ kommt fast ausschließlich von einem Casiotone 403, wird gespielt über das fette Effectboard und ist mit Gittarenverstärker aufgenommen. „Grashamster“ kommt mit viel Farfisa Syntorchestra und Roland Vocoder Plus. Letzterer zusammen mit dem Yamaha PS 30 Keyboard bilden das Fundament für „Nebelschwaden“.

Die sechs Kompositionen von Sula Bassana alias Dave Schmidt kommen, inspiriert durch John Carpenter, Vangelis, Klaus Schulze und Tangerine Dream aber auch Expo ’70, aus der Langrille. Der Mann kann es auch hier mit der betitelten Naturkunde umgehen und hält mühelos sein erfreulich hohes Niveau.

Also schnell in das Album eingetaucht und rein in den Opener „Lichtbündel“, das fantastisch mit den fließenden Übergänge daher kommt, die man in dieser Präzision schon auf „Shipwrecked“ bewundern durfte. Die Musik schwingt, mit Augenblicken der Innerlichkeit, wie elektromagnetischen Wellen stetig auf und ab. Über allem schwebt eine besänftigende und sich wiederholende Melodie.
Mit „Morgentau“ fühlt man regelrecht die feinsten Wassertröpfchen, die den Boden und die Pflanzen berühren. So wie den Tau, der am Morgen mit leichten Niederschlag auftritt. Sula beschreibt in dem zärtlichen Stück das leichte hinabrieseln der Tropfen und kleine Insekten, die mit ihren Fühlern das willkommene Nass auffangen, was zum Leben nötig ist. Es umfasst eine sehr meditative Variation dieses Vorgangs, so jenseitig unseres technischen Wahnsinns.
Weiter geht es mit dem angedeuteten und surrenden Quaken in „The Frogs“. Man taucht musikalisch in das Leben im Sumpf und jedem unberührten Tümpel hinein. Das unruhige Gewusel wird plastisch durch das verzerrende Spiel dargestellt. Etwas unheimlich säuseln die Synthesizerklänge und langsam, wie in einem Öko-Thriller, schält sich eine Melodie heraus. Die Natur scheint sich darin zu wehren um die menschengemachte Umweltverschmutzung abzuwenden…
„Organ Accumulator“ bringt die Verzerrung einer Gesellschaft, die an ihre Grenzen gestoßen ist. Einen Wandel der notwendig ist und unmittelbar bevorsteht.  Dies alles ist in fein ziselierte Klänge eingebettet, die zwischen Traum und Verhängnis irrlichtern. Es oszilliert bis zur Hälfte, wird heftiger und die Energien darin laden sich randvoll bis zum Bersten auf. Das ist ein wahrer Ohrenschmaus!
Einen „Grashamster“ als solchen gibt es nicht wirklich. Nur den kleinen Hamster im Gras oder Jemand, der große Mengen Grasgenusswaren hortet. Es ist also eher eine Parabel aus der Krautrockzeit. Der wuchtige Sound wird von einem stoisch federnden Beat angetrieben, das erinnert mich selbst an jede Menge Spass und Genuss. Somit komme ich wieder zurück zum allgegenwärtigen humanoiden Hamster. Nicht unser evolutionäres Erbe, sondern eine gedankenfreie und unsoziale Maßlosigkeit, beschert uns die meisten Probleme wie Egoismus, Futterneid, Machtkämpfe oder Revierverteidigung. Dann bevorzuge ich doch lieber diesen krautigen Hamster mit jeder Menge Genuss in den pulsierenden Grasadern.

Der Abschlusstrack „Nebelschwaden“, erinnert mich an ein Gemälde von Caspar David Friedrich aus dem Jahr 1820, mit selbigen Nahmen. Es wurde am 28. Juli 1994 gestohlen und kam nach langer Odyssee wieder in die Hamburger Kunsthalle zurück. Das war im Jahr 2003. Nebelschwaden mit Vogelschwarm im Morgengrauen durchziehen die Landschaft. Aber auch an ein Hermann Hesse Gedicht von 1905.

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
kein Baum sieht den andern,
jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkel kennt,
das unentrinnbar und leise
von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
jeder ist allein.

Die Umsetzung von Sula überrascht mit Finesse und Einfachheit. Es ist eine stilistische Wanderung auf einem naturbelassenden Pfad durch die klanghaft aufsteigenden Nebelschwaden. Beim gemächlichen Beschreiten und Umsehen, werden nun auch keine dämonische Fabelwesen im Nebel mehr auftauchen. Diese Musik beruhigt und verbreitet einfach ein behagliches Wohlfühlen in allen Sinnen.

Man hört in jeder Sekunde, welchen Spaß der Komponist im Studio gehabt haben muss. Daraus resultiert wieder diese neue lyrische Facette im musikalischen Œuvre von Dave Schmidt. Seine Musik hat eine Botschaft für die Seele und lädt zum uneingeschränkten Zuhören ein.

Als Bonus mit dabei sind die drei Tracks von „Disappear“. Erschienen 2014 auf der Split-LP mit 3AM, die bei Headspin Records auf Vinyl erschien. Dort waren deutlich mehr Gitarren und Drums dabei, außerdem etwas Vocals von Komet Lulu und Sula. Trotzdem passt das ältere Material perfekt zu „Organ Accumulator“ und ist eine sehr schöne Ergänzung.

Erscheint Mitte Februar 2016 via Sulatron Records als CD mit 500 Stück. Beim englischen Kultlabel Deep Distance Records erschien das multicolour Vinyl Ende Januar 2017, limitiert auf 500 Stück. Gemastert von Eroc.

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Line-up:
Sula/Dave Schmidt – Alle Instrumente
Komet Lulu – Vocals in „Disappear“

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Tracklist:
01 – Lichtbündel (7:48)
02 – Morgentau (4:47)
03 – The Frogs (5:55)
04 – Organ Accumulator (7:04)
05 – Grashamster (4:40)
06 – Nebelschwaden (9:47)
Bonustracks von Split-LP Disappear:
01 – Disappear (10:36)
02 – Grong (5:06)
03 – Smoof (6:00)

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Sula Bassana – Bandcamp